1. STUDIENFAHRT NACH VERDUN: Klasse 8c und 10a auf Spurensuche 2014

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Habt ein besseres Gedächtnis!

 

Vorbereitet und begleitet wurde das Projekt von Lehrer Lars Limbach (Mitte links) und Lehrer Simon Imhäuser (rechts außen)

Knapp 100 Jahre ist es her, dass der europäische Kontinent und Teile der Welt in einen kriegerischen Abgrund unermesslichen Ausmaßes gerissen wurden. Die Rede ist vom 1. Weltkrieg, der uns zeitlich so weit entfernt scheint, wie die Strecke zum Mond.

Dennoch hat gerade diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts Europa, die Welt, seine Menschen und unsere Zeit nachhaltig geprägt. Ein Name ist in das Gedächtnis Europas und speziell der Länder Frankreich und Deutschland eingebrannt wie kein anderer: „Verdun“. Er steht stellvertretend für den Schrecken und die Sinnlosigkeit von Krieg und das unendliche Leid. Als Mahnmal für die Völker der Welt: Frieden zu halten. Mittlerweile ist Verdun zu einem Ort der des Gedenkens und der Versöhnung geworden.
Geschichte(n) vor Ort auf den Grund gehen und zu begreifen, dazu diente eine jahrgangsübergreifende Studienfahrt der 8c und 10a der Hermann-Gmeiner-Realschule plus Daaden, die Geschichtslehrer Lars Limbach initiierte, plante und durchführte.

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Im Vorfeld wurden im Rahmen eines Projekttages die Gründe für das Ausbrechen des 1. Weltkrieges vertieft und über die Sinnlosigkeit der grausamen Auseinandersetzungen rund um Verdun diskutiert. Schließlich reifte innerhalb der Schülergemeinschaft die Erkenntnis: Das friedvolle Zusammenleben der Menschen ist damals wie auch heute ein unschätzbares Gut!
Am Montag, dem 31.03.2014, startete die Schülergruppe unter der Leitung der beiden Lehrer Simon Imhäuser und Lars Limbach, morgens um 4 Uhr Richtung Verdun. Erster Anlaufpunkt war der deutsche Soldatenfriedhof bei Étain unweit der Stadt Verdun. Hier bekamen die Schüler einen ersten Eindruck von der immensen Opferzahl. Aber nicht nur die Anzahl der deutschen Namen auf den je nach Religionszugehörigkeit gestalteten Grabsteinen beeindruckte die Teilnehmer, sondern auch die Feldpostbriefe, die an diesem Ort vorgelesen wurden und einen Einblick in die Gefühlswelt der Soldaten ermöglichten. Den Lernenden wurde bewusst, dass viele ihren Tod vor Augen hatten und nicht mehr zu Frau und Kind, Freundin oder Familie zurückkehrten. Viele liegen auch ohne Namen auf den Friedhöfen um Verdun beerdigt, da sie nicht mehr identifiziert werden konnten.
Von diesem Friedhof aus waren auch die Anhöhen des Forts Douaumont gut zu sehen und somit der beschwerliche Weg, den die Soldaten zurücklegen bzw. erstürmen mussten.
Der Besuch des total zerstörten Dorfes Fleury-devant-Douaumont offenbarte die gewaltige Dimension der Zerstörungskraft bzw. der Materialschlacht, die in den ersten Tagen um Verdun fast unablässig tobte. Lediglich eine Trichterlandschaft ist heute noch von diesem Ort übriggeblieben, wo ansonsten das beschauliche Leben der Landbevölkerung ablief. Nur noch Pfähle markieren die ungefähre Lage von Ortsstreßen, Wohnhäusern, Bauernhöfen, der Schule oder der Bäckerei.
Der Einsatz von Kriegsgerät wurde bei Faubourg Pavé deutlich, wo die Gruppe kleinere Artilleriegeschütze sichten und sich somit einen Eindruck vom Kampf „Maschine gegen Mensch“ bilden konnte. Nicht zu erfassen hingegen bleibt das daraus resultierende anonyme Sterben von Menschenmassen.
Die Fahrt durch die Citadelle von Verdun in Kombination mit einer Multimediashow machte es den Schülern möglich, den Grund des Krieges, die Auswahl Verduns und das Leben der Soldaten zu begreifen. Ebenso den Unterschied zwischen Generälen und Mannschaften, wobei erstere meist fern der Front die Einsätze planten und letztere die Auswirkungen dieser Befehle hautnah durchleiden mussten.
Noch eindrucksvoller und intensiver wurde dieses „Begreifen“ der unmenschlichen Situation im Fort Douaumont. Die eigentlich nur für 8oo Soldaten ausgelegte Festungsanlage „beherbergte“ teilweise die Anzahl von 3000. In dieser Enge lebten, aßen und starben die Soldaten unter fast ständigem Beschuss der Artillerie, die keinen Unterschied zwischen Freund oder Feind machte. Unvorstellbare Ängste und hygienische Zustände begleiteten den „Alltag“ der Menschen. Und doch wurde dieser Haufen zertrümmerter Steine erobert und zurückerobert.
„Hier wäre ich verrückt geworden“, so eine Schülermeinung, die das wirkliche Schicksal manches Soldaten widerspiegelte, denn viele wurden nicht nur körperlich verwundet, sondern verloren für den Rest ihres Lebens den Verstand.
Einen emotionalen Höhepunkt bildete der Besuch des französischen Soldatenfriedhofes mit dem dazugehörigen Beinhaus Douaumont. Die gewaltige Anzahl der Kreuze (15.000) ließ die Gruppe im Schweigemarsch den Hügel hinauf zum Mahnmal gehen. Von hier wurde die Dimension des Friedhofes noch deutlicher. Auch die Erkenntnis, dass im Beinhaus nochmals 130.000 nicht identifizierte französische und deutsche Soldaten ihre gemeinsame letzte Ruhe gefunden haben, ließ die Gruppe noch mehr in Ehrfurcht verweilen.
Den Abschluss bildete für die Schülergruppe das Verweilen an einem besonders friedvollen Ort:
Rund um die Gedenktafel, an dessen Platz Helmuth Kohl und Francois Mitterand am 22.09.1984 durch ihren Händedruck ein unvergessliches Symbol der Versöhnung hinterließen und gleichzeitig einen weiteren Stein für die deutsch-französische Freundschaft legten, bildeten die Teilnehmer einen Halbkreis. Herr Limbach fasste stichhaltig die Erlebnisse des Tages zusammen und lud die einzelnen Schüler und Lehrer ein, in der Stille der eigenen Gedanken, einen kleinen Friedenszweig als symbolischen Akt für ein friedvolles Miteinander um die Gedenktafel zu legen. Zuvor legten die Acht- und Zehntklässler einen größeren Zweig an dieser Stätte nieder, der die Räume der beiden Klassen bereits im Vorfeld als „Friedenszweig“ zierte und die geplante Symbolhandlung ankündigte. Damit wurde der Kreis zum Heute geschlossen und alle verharrten eine ganze Weile im stillen Gedenken.
Während der Fahrt informierten neben Lars Limbach immer wieder einige Schülergruppen über interessante Daten und Fakten der Gedenk- und Schauplätze, nachdem sie im Vorfeld intensiv recherchierten. Somit wurden Informationen aus den eigenen Schülerreihen lebendig vermittelt.
Beeindruckt von diesem Hintergrundwissen – aber auch von den tiefgreifenden und aufrührenden Eindrücken vor Ort – fassten die Schüler ihre Erkenntnisse später im Unterricht schriftlich zusammen.
Folgende Zitate zeugen von der Tatsache: Durch diese Fahrt nach Verdun wurde Geschichte lebendig, denn Lehren können nur diejenigen ziehen, die auch begreifen
„Es hat mich gewundert, wie ein Ort so grausam und doch friedlich zugleich sein kann.“
„Ein Mensch ist schlau, viele Menschen sind dumm.“
„Wir Menschen sind doch alle miteinander verbunden. Warum tun sich Bruder und Schwester so etwas an?“
„Bei diesem Krieg gab es keine Gewinner – nur Verlierer!“
Selbstverständlich wird die Fahrt auch nachbereitet und soll für die Schulgemeinschaft in Form von Bildern und authentischen Erfahrungsberichten dokumentiert werden. Damit soll das Gedenken an diese Zeit, den Ort und vor allem an die vielen unnötigen Opfer auch heute wach gehalten werden, damit sich Geschichte nicht wiederholen muss. Denn „habt eine besseres Gedächtnis“ (Zitat Erich Kästner) bedeutet auch, aus dem Gedenken den Mut zum friedlichen Miteinander wahr werden zu lassen.

Text: Lars Limbach und Simon Imhäuser
Fotos: Simon Gawlik, Luisa Marie Stühn, Luca Weeske, Simon Imhäuser, Lars Limbach

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