Junge Reporter befragten Verdunbesucher

Mein Name ist Robert B. Ich bin 92 Jahre alt und war bei den US-Navi Marines im 2. Weltkrieg.

Was geht ihnen durch den Kopf, wenn Sie das Schlachtfeld von Verdun sehen?

Zuerst habe ich gedacht, es ist furchtbar, lächerlich, sie sind gestorben für nichts. Es erinnert mich an meine eigenen Erfahrungen … so sinnlos und unnötig … wie man sich das gegenseitig angetan hat.

Warum schlagen wir uns gegenseitig … es besteht kein Grund … kein Entkommen … kein gutes Ende, wisst ihr? Ich denke, dass es unsere spezielle Aufgabe ist, dass junge Menschen genau das verstehen. Dass sie Verantwortung für die Welt übernehmen und hoffnungsvoll begreifen, dass das, was hier passiert ist, diese Art der Problemlösung vor 100, vor 1000 Jahren nichts gelöst hat.     

 Haben Sie jemanden aus Ihrer Familie im 1. Weltkrieg verloren?

Ja. Meinen Onkel. Er ist auf dem Soldatenfriedhof an der Aisne beerdigt, direkt gegenüber von einem deutschen Soldatenfriedhof. Wir kommen gerade von dort. Es ist beschämend, wie man sich gegenseitig umgebracht hat. Wir hätten so viel Spaß haben können, hätten Spiele spielen können. Fußball….Skifahren…. .

 Sie haben im 2. Weltkrieg gekämpft?

Ich habe in drei Kriegen gekämpft: Dem Zweiten Weltkrieg in Korea und in Vietnam. Ja. Das war genug.

 Wie alt waren Sie, als Sie in den 2. Weltkrieg zogen?

Ich war 18. Ich wollte schon mit 17 aber meine Mutter hat mich nicht gelassen. Meine Mutter sagte: „Oh, no!“ Dann aber mit 18. Ich habe immer Glück gehabt. Ich wurde drei Mal verwundet. Aber wie Sie sehen, funktioniert noch alles.

Was fühlten Sie, als Sie im Krieg zum ersten Mal europäischen Boden betraten?

Ängstlich. Ich war ängstlich. Aber das bemerkte ich erst nicht, ich war so beschäftigt, involviert, dass die Angst erst später kam. Ich war so beschäftigt, dass ich nicht darüber nachdachte, wie gefährlich es war.

Erst als ich eine kurze Zeit zur Ruhe kam, dann dachte ich: „Oh, Mann, wie haben wir das geschafft?“

Haben Sie in dieser Zeit auch Ihre Frau kennengelernt?

Meine erste Frau. Sie ist aber schon gestorben. Mit meiner jetzigen Frau bin ich seit 13 Jahren verheiratet. Es kommt mir aber wie 13 Wochen vor. (Beide lachen). Sie war bei der Navi-Reserve, hat aber den Krieg nie gesehen.

Was haben Sie gedacht, als Sie auf dem französischen Nationalfriedhof gestanden haben?

Es war furchtbar. Furchtbar und beeindruckend zugleich. Auch all Knochen die im Gebeinhaus. So viel Morgen Land (acres), ein einziger großer Friedhof. Dann die Kreuze und Grabsteine, die sich fast endlos erstrecken. Eigentlich ein Feld der menschlichen Schande. Eine Schande, die man sich gegenseitig angetan hat.

 

Mein Name ist René Le B., ich komme aus der Bretagne und bin 52 Jahre alt.

 

Was denken Sie, wenn Sie hier im Memorial de Verdun stehen?

Ich bin tief beeindruckt, dies alles hier zu sehen. Es markiert einen grausamen Ort der deutsch-französischen Geschichte. Es war ein Hass zwischen Deutschland und Frankreich. Aber nun ist es vorbei. Nun sind es Staaten der Freundschaft. Verdun war die Katastrophe. Verdun, ein Inferno, an der Pforte zum Wahnsinn. Die Zahlen der Toten. Die Zahlen der Vermissten. Ich habe Respekt vor den Soldaten                                   René Le B. im Memorial de Verdun

beider Seiten, die für Nichts gefallen sind. Meine Botschaft an die Jugend Europas: Tauscht euch aus. So wie Frankreich und Deutschland zusammengefunden haben, so ist die Einigkeit Europas wichtig für die Zukunft. Aus Feinden ist der Motor Europas geworden. Auch wenn Europa auseinanderbräche, bliebe das Tandem Frankreich und Deutschland. In zwanzig Jahren wird Europa wie folgt aussehen: Es gibt ein Europa mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Manche werden es vielleicht nicht durchhalten und ausscheiden. Großbritannien zum Beispiel. Aber die Kernländer des Ursprungs bleiben bestehen.

 

Mein Name ist Vanessa ich bin 38 Jahre alt. Ich arbeite für die Stiftung Ossouaire Douaumont.

 

Was denken Sie, wenn Sie täglich diese Masse an Kreuzen sehen?

Ich meine, dass es viel zu viel des Tötens in diesen 11 Monaten hier gegeben hat. Dieser Friedhof ist groß, zu groß. Es gibt noch fünf ähnliche Friedhöfe in Verdun.

 

Beschreiben Sie kurz Ihre Gefühle, wenn Sie die zerstörte Landschaft sehen?

Ich wohne schon immer hier und arbeite für die Stiftung des Gebeinhauses. Aber immer noch stumpft meine   Aufmerksamkeit nicht ab. Zu groß sind die Zeugnisse der Zerstörung.

 

Brauchte es zwei Kriege um den Frieden zu schätzen?

Ich meine, dass wir uns erinnern sollen, was Krieg ist, denn es gibt noch genug Krieg auf der Welt. Syrien zum Beispiel.

 

Was möchten Sie jedem Jugendlichen hier mit auf den Weg geben?

Ich möchte erklären, warum es diesen Krieg gegeben hat und dass es immer dasselbe Leid über die Menschen bringt. Wir sind nicht sicher, ob es vielleicht einen dritten Krieg geben wird. Nicht so wie in Verdun, sondern anders. Nicht zwischen Deutschen und Franzosen, weil wir jetzt zusammen sind … Freunde sind. Wir lernen Deutsch in der Schule und WIR sind jetzt Europa. Wir sind uns nicht mehr feindlich gesinnt.

 

Wo sehen Sie Europa in 20 Jahren?

Ich weiß, wie meine Großmutter über die Deutschen vor zwanzig Jahren dachte. Da waren es „Les Boches … “ Aber das war aus der Zeit meiner Großmutter, die den Krieg erlebt hat. Heute sind die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland fest verankert, und das ist gut so. Ich bin leider keine Hellseherin, aber auch wenn Europa kleiner würde, Frankreich und Deutschland wären noch Geschwister.

 

Ich bin Fritz Hermes, 73 Jahre alt und  Ich habe früher für die Bezirksregierung RLP gearbeitet.

 

Aus welchem Anlass besuchen Sie diesen Ort?

Als früherer Schulaufsichtsbeamter habe ich mitgeholfen, dass diese Schülerseminare in Trier und Verdun stattfinden. Dass wir immer wieder junge Menschen hierhin führen, und das ist jetzt seit über 20 Jahren so, zusammen mit der Kriegsgräberfürsorge. Der Hauptanlass ist, den Menschen zu verdeutlichen, was Krieg bedeutet und sie damit zu mahnen, für den Frieden einzustehen, für den Frieden zwischen Deutschland und Frankreich, in Europa und in der Welt.

 

Was denken Sie, wenn Sie diese Masse an Kreuzen sehen?

Ja, man denkt an die vielen Schicksale, an die jungen Soldaten, die all zu früh ihr Leben beenden mussten, die viele Pläne hatten. Dieses Leben wurde auf grausame Weise beendet.

 

Können Sie mir Ihre Gefühle beschreiben, wenn sie an diesem Ort stehen?

Da ist zunächst das Gefühl der Trauer, Betroffenheit, man denkt an die Menschen, die dort liegen. Man denkt natürlich auch an die heutige Jugend und daran, dass die Jugendlichen nicht auch das gleiche Schicksal wie vor 100 Jahren erleiden. Dass die Toten die jungen Menschen mahnen, dass sie heute eine bessere Lebensperspektive haben als ihre Vorgänger.

 

Brauchte es zwei Kriege, um den Frieden zu schätzen?

Leider ja. Offenbar war es so, dass nach dem 1. Weltkrieg die Menschen immer noch nicht gelernt hatten, friedlich miteinander umzugehen. Man wollte Revanche, man wollte Vergeltung und Rache. Das führte zu einem neuen Krieg, der wiederum Millionen von Menschen das Leben kostete. Deshalb kam es erst nach einem 2. Weltkrieg zur Verständigung und Aussöhnung.                                                    

 

 
 
Im Interview mit Herrn Hermes

 

 

 

 

Wo sehen Sie Europa in 20 Jahren?                                                                         

Schwer zu sagen. Im Moment sind ein paar dunkle Wolken über Europa aufgezogen, es gibt ja sehr viele Leute, die wieder ein bisschen den Schritt zurück machen wollen, zu den Nationalstaaten von früher. Ich hoffe nicht, dass es soweit kommt. Ich würde mir wünschen, dass wir auch in 20 Jahren noch ein gemeinsames, einheitliches Europa haben.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 19. September 2018 um 09:57 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Aktuell abgelegt.

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